Ein Moment
Ich sehe Mama und Papa,
sie liegen da
zwischen anderen Menschen.
Papa guckt so komisch.
Ich lege mich zu Mama,
sie sagt nichts,
ihre Bluse ist rot.
Mama schläft.
Ich greife nach Papas Hand.
Jemand hebt mich hoch
und trägt mich fort.
Ich spüre Schmerzen.
…
Mama und Papa sind tot,
haben mir Fremde gesagt.
Es ist Krieg,
da sterben Menschen.
Alte Nachtmusik
Der Mond schimmert
im runden Gold
über Land und Meer.
Der Wind
flicht sich durch Gräser,
streichelt Feld und Erde.
Zarte Zweige zittern,
verneigen sich
zum Gruße.
Geübte Geiger
zirpen leise,
werbend ist ihr Spiel.
Nachtigallengesänge
beseelen
die samtene Nacht.
Mäuse pfeifen kaum hörbar,
ein Käuzchen ruft,
lautlos ist sein Flug.
Der Wind verharrt
im Augenblick.
Götzen
Der selbsternannte Götze,
derart vom Ich Besessene,
lebt im heiligen Einklang
mit sich selbst.
Als triebhafter Führer
ängstlicher Lakaien,
besingt er mit ihnen
sein Leben in flüssigen Reimen.
In sich zerstört
verpönt er das Schöne
und Heile,
verzerrt ist sein inneres Bild.
Im Sumpf
krankhafter Triebe
ertrinkt er
in Eigenliebe.
Das Paradies
Ein kleiner Schmetterling flog in die Welt hinaus.
Er war noch sehr jung und unerfahren,
doch mutig und gewillt,
die Natur zu erkunden.
Auf Feldern und Blütenwiesen
nahm er Düfte wahr,
die ihn becircten.
Er erblickte Farben,
die sein Herz in Verzückung versetzten.
„Hier muss das Paradies sein“,
dachte er schwärmerisch,
während er mit seinem winzigen Rüssel
in einer Blüte verschwand und aus ihr naschte.
Die Sonne wärmte seine Flügel,
der Wind blies ihm zärtlich darüber.
Sein zitronengelbes Kleid begann zu leuchten.
Als er gesättigt war, flatterte er weiter,
bis er auf rot-durchfluteten Buschblüten
unzählige bunte Artgenossen bemerkte.
Einige glitten von Blüte zu Blüte,
andere flogen mit sanften Flügelschlägen über die Wiese.
„Oh, da sind ja ganz viele wie ich“,
freute sich der Zitronenfalter,
doch plötzlich erschrak er.
Etwas Lautes störte die Idylle,
es kam von oben, vom Himmel.
Stinkender Nebel hüllte Wiesen und Felder ein.
Für Flucht war es zu spät.
Er sah noch, wie seine Artgenossen,
von den Blüten fielen.
Auch seine eigenen Flügel wurden lahm.
Der kleine Schmetterling starb in seinem Paradies.
Der Fremde
Auf einer Bank im Park
saß ein alter Mann.
Sein Haar war weiß
und in der nahen Birke
verfingen sich die letzten Sonnenstrahlen.
Etwas berührte mich an dieser Szene,
ich vermochte es nicht zu benennen.
Nur wenige Schritte noch,
dann erreichte ich den Fremden
und setzte mich zu ihm.
Er starrte vor sich hin,
schien mich nicht wahrzunehmen.
Ich betrachtete sein Profil und sah Tränen,
die ihm über sein faltiges Gesicht liefen.
Sie verfingen sich in seinem grauen Bart.
Ich überlegte nicht lange,
sprach ihn leise an,
fragte nach dem Grund seiner Traurigkeit.
Verwundert fiel sein Blick auf mich.
Erst jetzt bemerkte er,
dass er nicht alleine war.
Etwas in seinen dunklen Augen,
die mich an glänzende Opale erinnerten,
zog mich an.
Ein unerklärlicher Schmerz überkam mich.
Als der alte Mann zu sprechen begann,
hörte ich ihm aufmerksam zu.
Er hatte eine warme Stimme,
seine Worte klangen bitter.
Er erzählte mir von seinem langen Weg
und dem aussichtslosen Kampf,
den er vergeblich für seine Liebsten geführt
und schließlich verloren hatte.
Nun sei er alleine in einem Land,
in dem er ein Fremder war.
Dann schwieg er
und blickte in die Ferne.
Ich wollte ihm etwas sagen,
ihn trösten,
doch welchen Trost hätte ich ihm geben können?
Hilflos und vorsichtig berührte ich seine faltigen Hände,
ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen.
Wir trafen uns nun häufig an diesem Ort.
Ich lud ihn zu mir nach Hause ein,
wollte ihn meiner Familie vorstellen,
doch er lehnte dankend ab.
Ich kannte weder seinen Namen, noch wo er wohnte.
Er wollte es so.
Er erzählte mir von seinen Liebsten in der Heimat,
von seinem wundervollen Leben vor dem Krieg
und er erzählte mir von den Bomben,
dem Tod und endlosen Leid.
Eines Tages wartete ich vergeblich
auf den alten Mann,
der schon lange kein Fremder mehr für mich war.
Große Traurigkeit erfasste mich.
Letzte Sonnenstrahlen verfingen sich
in den Ästen der Birke über mir,
der Abend nahte.
Als ich mich erhob und ging,
liefen mir Tränen übers Gesicht.
Unstillbarer Hunger
Gieriges Verlangen
nach süßem Brei.
Flüssige Lava am Himmel,
Fliegen bedecken das kleine Gesicht.
Unstillbar der Hunger,
bis er erlischt.
Hörst du den Wind?
Hörst du den Wind,
wie er leise zu dir spricht?
„Komm mit“, flüstert er,
„ich zeige dir das Kind, das missbraucht wurde,
dessen Seele geschunden bleibt,
die alte Frau, die so einsam ist,
weil ihre Kinder keine Zeit haben,
ich zeige dir Tiere,
die auf engstem Raume, ohne Licht dahinvegetieren,
das Sterben der Regenwälder,
die gerodet werden,
um Soja und Palmöl anzubauen.
Ich bringe dich zu Menschen,
die verhungern und verdursten,
zu jenen, die todkrank sind
und zu jenen, die im Krieg ihre Liebsten
und jede Hoffnung auf Frieden verloren haben.
Ich puste so viele Tränen weg,
gleite sanft über einsame Seelen,
tobe vor Wut über Gleichgültigkeit,
stürme wegen meiner Ohnmacht.“
Hörst du den Wind,
wie er heult?
Der Menschenfreund
Satire zum Thema Fremdenfeindlichkeit
Ich habe nichts gegen die, ehrlich,
solange die unter sich bleiben,
da in der Fremde,
ist doch alles okay.
Ich bin tolerant,
eine Seele von Mensch,
aber im Ernst, ganz unter uns,
was zu viel ist, ist zu viel.
Da nisten sie nun,
auch in unserem Dorf,
diese Exoten, mit ihrer Brut.
Meine Nachbarin spricht mit denen,
hat wohl 'nen Fremdsprachenkurs besucht.
Die Alte war mir schon immer suspekt.
Wo soll das hinführen? Multikulti?
Als hätten wir nicht schon genug
Kanaken hier!
Mann, die sollen ihre Heimatländer aufbauen!
Was? Ach so, klar, nicht sofort,
aber irgendwann sind ihre Kriege vorüber.
Wer soll dann ihre Städte von Schutt,
Asche und Toten befreien,
wenn niemand mehr da ist?
Im Krieg wird gestorben, normal,
doch Flucht ist nun wirklich keine Lösung!
Hey, haltet aus, dort, wo ihr seid,
ich denke an euch,
das sagt euch ein echter Menschenfreund.
Die Oase
Splitter der Seele
zerstreut wie Blütensamen
wehen über rote Erde.
In einer Oase
dem Ort der Träume
finden sie zusammen
werden Mosaike.
Sinneslust
Ihre Gestalt, ein zartes Gebilde,
auf Rosenblättern gebettet,
ein Zittern offenbart die Sinneslust,
und Augen, die alles versprechen.
Sein Blick, brennend heiß,
malt ihren Körper nach,
verweilt auf ihren Brüsten,
ihrem Leib.
Ihm läuft der Schweiß
in seinen Schoß,
der bebt,
erhebt sich zum Vulkan.
Ein Rasseln schneidet
tief in Fleischeslust,
doch der Wecker kennt kein Erbarmen…
Flucht
Sie singen ihr letztes Lied
wieder und wieder
bedrängen und verletzen,
erwachen zu Leben,
Nacht für Nacht.
Flucht brach den Bann,
in einer Welt des Schweigens,
doch Licht brachte sie zurück
und neue böse Lieder.
Jeder Tag
ist lebensgefährlich,
doch die Liebe
stellt sich der Gefahr
Stimmen werden leiser.